Die Zeit, um Aufmerksamkeit zu erzeugen, beträgt Sekunden

Attention, Interest, Desire, Action. Die letzten drei Begriffe sind nichts, ohne den Ersten. Aufmerksamkeit für die Botschaft zu erzeugen, gehört zu den Kernaufgaben der Kommunikation. Die Könige dieser Disziplin stehen in Rom vor vielen Restaurants.

Sommer 2022, die Temperaturen in der italienischen Hauptstadt klettern auch hier in Richtung Höchstwert. Zwischen den Häuserzeilen staut sich die Hitze, man könnte sie schneiden, hätte man ein Messer. Es ist Mittagszeit. Das Knurren der Touristenmägen wird übertönt vom ewigen Lärm in der ewigen Stadt. Vor vielen Restaurants stehen «Buttadentri», sogenannte Reinschmeisser, wie sie in Italien verächtlich genannt werden, weil es im Grunde genommen ein undankbares Phänomen ist – für beide Seiten. Ständig angesprochen zu werden, ist nicht erst auf die Dauer mühsam. Ständig eine Absage zu bekommen, ebenso. Und das Sozialprestige des Berufs ist ganz unten. Zu Unrecht.

Verglichen mit anderen Disziplinen in der Kommunikation ist der Job eines «Buttadentri» eine Art Mixed Martial Arts. Man hat nur eine Chance, wenn man schnell, schlau und effektiv ist. Der Konkurrenzkampf ist sehr gross; all paar Meter wirbt ein anderes Restaurant für seine Gastronomie: Qui si mangia meravigliosamente!

Was also braucht es, um in einem so kompetitiven Umfeld erfolgreich zu sein? Ein Gespräch mit Karim Lebaz (38), ein weltgereister Algerier mit ausgewählten Manieren, ermöglicht einen Blick hinter die Kulissen. Gleich zu Beginn liegt ihm viel dran, etwas zu klären: Er möchte seine Kollegen und sich nicht als «Reinschmeisser» verstanden wissen, sondern als «Acchiappini», also Leute, die Menschen zusammenbringen. Er selbst versteht sich mehr als Rezeptionist. Diese Auffassung seines Berufs unterscheidet ihn von vielen seiner Kollegen.

Karim Lebaz, was ist das Wichtigste an Ihrem Beruf?

Grundsätzlich geht es darum, dass man von dem, was man verkauft, überzeugt ist: von der Qualität des Produkts. Nur auf dieser Basis entsteht die nötige Ehrlichkeit und damit das nötige Selbstbewusstsein, das man braucht, um erfolgreich zu verkaufen. Dazu kommt Respekt gegenüber all jenen, die man anspricht. Und das ohne Ausnahme. Unabdingbar in meinem Beruf sind auch Sprachkenntnisse, aufgrund der vielen Touristen hier natürlich Englisch. Last but not least schadet es natürlich nicht, wenn man eine mindestens geringe Vorstellung anderer Kulturen hat als jene, in der man aufgewachsen ist.

Was ist die besondere Herausforderung?

Die erste Annäherung. Ich kann mir nie sicher sein, wie die Person neben vor reagieren wird. Nicht jeder hier in der Stadt hat gute Manieren oder ist gut gelaunt. Ich begegne täglich vielen Menschen mit schlechtem Benehmen. Wenn ich als Verkäufer die Dinge zu persönlich nehmen würde, wäre ich viele Male am Tag verletzt.

Wie erzeugen Sie Aufmerksamkeit?

Wir Acchiappini» erzeugen Aufmerksamkeit zuallererst mit unserem Gesichtsausdruck. Ein Lächeln, die Körperhaltung, ein guter Spruch, um Aufmerksamkeit zu erregen. Der wesentliche Teil meiner Verkaufsarbeit kann erst beginnen, wenn es mir gelungen ist, das Interesse eines potenziellen Kunden zu wecken.

Wie viel Zeit haben Sie tatsächlich, um Aufmerksamkeit zu erzeugen?

Ein Sprichwort sagt: «Der erste Eindruck ist der letzte». Die Zeit für diesen ersten Eindruck beträgt in meinem Fall nur wenige Sekunden – und das hängt nicht nur von mir selbst ab, sondern auch von den Menschen, die ich anspreche.

Ich entscheide grundsätzlich erst, wenn ich sie oder ihn sehe, was ich sage und wie ich spreche.

Karim Lebaz, «Reinschmeisser» – oder lieber Rezeptionist

Auf welche Details achten Sie?

Ich achte bei jenen Personen, die ich anspreche, auf dieselben Details, auf die ich auch bei mir achte: Augenkontakt, Mimik, Körpersprache und Aussehen. Absolut zentral ist, überhaupt in ein Gespräch zu kommen. Ist man erst mal drin, ist es einfacher zu wissen, was man sagen soll und was nicht.

Woran erkennt man, ob jemand ansprechbar ist?

Im ersten Moment kann ich bloss erahnen, ob eine Person ansprechbar ist. Natürlich basiert das auch auf Erfahrung. Man sieht, wie sie sich umsieht, wie sie versucht, das Produkt, das man verkauft, zu checken, und ob grundsätzlich Erklärungsbedarf besteht. Daraus leite ich ab, ob die Person bereit ist, mit mir zu kommunizieren.

Wie gehen Sie auf Menschen zu? Was ist Ihr «Keyword»?

Es gibt nicht den einen Standartspruch, ich halte das nicht für möglich. Die Ansprache ändert sich je nach Person, Geschlecht und der offensichtlich gesellschaftlichen Kategorie des Gegenübers. Das allein entscheidet, ob es mir gelingt, zu inspirieren und damit zu überzeugen. Ein großer Fehler, den ein Verkäufer machen kann, ist, mit Witzen zu beginnen. Sie werden in diesem Fall nicht als professioneller Gesprächspartner betrachtet. Sie werden Ihrem Kardiologen auch nur vertrauen, wenn er bei Ihrem ersten Treffen Ihr Herz im richtigen Teil Ihrer Brust überprüfen wird.

Gehen Sie anders auf Menschen zu?

Ja, das tue ich. Ich entscheide grundsätzlich erst, wenn ich sie oder ihn sehe, was ich sage und wie ich spreche.

Was mögen Sie an Ihrem Job – und was weniger?

Ich treffe jeden Tag tolle Menschen. Was ich weniger mag, ist die Tatsache, dass der Job mental sehr anstrengend ist.

Wie gehen Sie mit einer Ablehnung um?

Wenn Sie diesen Job machen, muss Ihnen erstens klar sein, dass man nie eine hundertprozentige Trefferquote haben wird. Zweitens versetze ich mich in mein Gegenüber hinein, so dass ich zumindest versuchen kann, die Absage oder – in vielen Fällen die Ausrede – nachzuvollziehen. Darüber hinaus kann ich ein Nein in etwas Positives umwandeln, weil es mir hilft, meine Kommunikationsfähigkeit zu verbessern. So gesehen ist das sehr wertvoll.

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